2013-02-14

Hinter den Kulissen

Einblicke in die Fernsehdreharbeiten aus Darstellersicht

von Sabine Hock



Im Oktober 1959 begann der Hessische Rundfunk mit den Dreharbeiten für „Die Firma Hesselbach“. Bereits einige Monate zuvor hatten die Darsteller die Drehbücher für die anstehenden Folgen erhalten, damit sie ihren Text gründlich vorlernen konnten. Sonst hätte die angestrebte Schnelligkeit der Produktionsweise gar nicht durchgehalten werden können.

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Drehbuchseite

„Krach haben wir in unserem Ensemble nie gehabt“, gab Wolf Schmidt der Frankfurter Rundschau zu Protokoll. Der Co-Regisseur Harald Schäfer und die „Mamma“ Liesel Christ bestätigten, dass die Dreharbeiten eher harmonisch abliefen und allenfalls die üblichen Verstimmtheiten wegen Lappalien vorkamen. Es ging also auch hinter der Kamera zu „wie im werklische Lebe“, so Christ in einem Interview: „Da gauzt mer sich an un versöhnt sich widder, un mei Fernseh-Kinner hawwe die gleiche Mucke wie mei eichene.“

Ernste Auseinandersetzungen zwischen Wolf Schmidt und Liesel Christ habe es während der gesamten Produktionszeit eigentlich nie gegeben, betonte Harald Schäfer später. Liesel Christ selbst lobte rückblickend ihre „großartige Zusammenarbeit“ mit Schmidt, die wohl auch darin begründet gewesen sei, dass sie und ihr Fernsehgatte „privat nichts miteinander zu tun hatten“. Aus der Erinnerung pries sie die insgesamt harmonische Atmosphäre, die Schmidt bei den Dreharbeiten zu schaffen verstanden habe: Es war nie eine Spannung im Studio, es ist Heiterkeit von ihm ausgegangen; er hat es gehaßt, wenn er es mit Menschen zu tun hatte, die penetrant waren. Er hat – bei aller Annehmlichkeit der Zusammenarbeit – eine große äußere und auch künstlerische Disziplin vermittelt; wer da nicht hineinpaßte, dessen Rolle war plötzlich gestrichen.
Andererseits baute Schmidt als Autor die Parts der Darsteller aus, die einmal ihre Qualitäten unter Beweis gestellt hatten. Dazu gehörte auch die Rolle der Mamma Hesselbach, die in den ersten „Firmen“-Folgen etwas hinter denen der Herren Hesselbach sen. und jun. zurückstehen musste.

Die langen Takes

Die in einer Einstellung abgedrehten Takes waren sehr lang, oft bis zu 20 Minuten, was nicht nur in Problemen mit der damals noch nicht so hoch entwickelten Schnitttechnik begründet lag. Die Länge der Takes war auch dramaturgisch gewollt, um dadurch die Handlung in einem Gesamtablauf zu fixieren und einen schauspielerischen Bogen zu erhalten.

War ein Take als Ganzes geglückt, wurden oftmals sogar kleine Versprecher in Kauf genommen, was das Geschehen nur noch authentischer erscheinen ließ. Gerade wegen des Abdrehens von langen Takes in kurzer Zeit empfand der Schauspieler Joost Siedhoff, der Darsteller des Sohnes und Prokuristen Willi Hesselbach, die Dreharbeiten als „sehr stressig“: „Da war jede Aufzeichnung eine kleine Premiere.“

Dreharbeiten


Auch Dieter Henkel, der als Sohn Peter später in die Serie einstieg, gab zu, dass trotz des insgesamt guten Arbeitsklimas nach einiger Zeit in der zweimonatigen Drehphase doch „ein gewisser Streß“ einsetzte: „Die Schauspieler wurden nervös und abgespannt – da hat Wolf Schmidt mit seinem Humor und seiner legeren Art den notwendigen Ausgleich geschaffen.“

Trotz oder gerade wegen des hohen Drucks konnte das Team Ende November 1959 die erste Produktionsstaffel mit vier Stunden „Verfrühung“ abschließen, wie der Sender stolz an die Presse meldete. Zugleich musste sich der Hessische Rundfunk für die gewählte Form der Vorproduktion einer Serie rechtfertigen, die damals noch nicht selbstverständlich war: Die „Schölermanns“, die erste deutsche Fernsehfamilie und direkte Vorgänger der Hesselbachs, waren weitgehend live ausgestrahlt worden. Der Frankfurter Sender erklärte nun, dass eine Aufzeichnung der „Hesselbachs“ wirklich „unumgänglich“ gewesen sei, „weil ein so vielköpfiges Team wegen der anderweitigen Verpflichtung seiner Mitglieder nicht über einen so langen Zeitraum zusammenzuhalten ist“.

Stress durch Doppelbelastung

Ohnehin hatten sich einige der Darsteller, vor allem die Schauspieler mit einem festen Engagement am Theater, für die Zeit der Dreharbeiten nicht völlig frei halten können. Liesel Christ zum Beispiel musste „nebenbei“ ihren Verpflichtungen am Stadttheater Mainz nachkommen, wie sie in einem Interview mit der Heilbronner Stimme beschrieb: Ich hatte jeden Morgen von 10 bis 12 Uhr Probe in Mainz. Punkt 12 Uhr verließ ich die Bühne, weil ich zum Zug mußte. Am Bahnhof in Frankfurt wartete ein Auto, mit dem ich ins Studio gebracht wurde, und um zwei Uhr begannen wir [dort] zu probieren. (...) Um sechs Uhr mußte die letzte Klappe fallen, denn dann brachte mich ein Wagen ganz schnell wieder nach Mainz zum Theater. Die Garderobiere stand schon da mit dem Kostüm und die Maskenbildnerin mit der Perücke, und um halb acht ging der Vorhang hoch.
Manchmal, etwa wenn beim Drehen plötzlich technische Probleme auftauchten, klappte das Pendeln zwischen Bühne und Studio allerdings nicht so reibungslos. Die Schauspielerin Ursula Köllner, die Chefsekretärin der „Firma Hesselbach“, die zugleich bei der Landesbühne Rhein-Main auftrat, erinnerte sich, dass die Produzentin Lia Wöhr dann die Studiouhr zuhängte, damit die Darsteller nicht nervös wurden.


Überarbeitete Auszüge aus „Liesel Christ / Volksschauspielerin. Eine Biographie“, Frankfurt am Main, Kramer 2004.
Dr. phil. Sabine Hock arbeitet als freie Autorin und Journalistin.
www.sabinehock.de




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