2013-02-14

FAZ, MAZ und Studio 8

Die Produktionstechnik für die Aufzeichnung der Hesselbachs

von Dr. Harald Schäfer


Das Studio 8 war eine große Halle, die später in den Werkstattkomplex des Hessischen Rundfunks eingebunden wurde. Sie war etwas abseits gelegen, und monatelang durch Bauarbeiten nur in beherzten Sprüngen durch Morastflächen erreichbar. Das Dach war so dünn, dass jedes Flugzeug die Aufnahmen nachhaltig störte. Bei Regen entstand ein prasselndes Geräusch, das zu Zwangspausen führte. Dass wir dennoch bei der ersten Produktionsphase ganze vier Stunden »Verfrühung« hatten, war Anlass zum Feiern.

FAZ und MAZ

Die Folgen wurden von Anfang an aufgezeichnet und nicht live ausgestrahlt. Zunächst geschah das in der damals üblichen Film-Halbbild-(dann Vollbild-)Aufzeichnung, abgekürzt: FAZ genannt; später im magnetischen Verfahren, MAZ genannt.

Es erscheint nicht unerheblich, auch die Produktionsweise einer solchen Familienserie einmal aufzuzeigen. Üblicherweise wurde etwa ein Drittel einer Folge an einem Tag im Studio mit den Kameras «heiß« gestellt, das heißt, die genaue Bildabfolge mit Gängen und Aktionen festgelegt. Abends schloss sich daran eine sogenannte »kalte« Dialogprobe ohne Kameras, aber ebenfalls in der Originaldekoration, an. Am nächsten Tag wurde, auf den Vortagsproben aufbauend, der Gesamtablauf von etwa 15 bis 20 Minuten durchgehend probiert, der Abend war frei. Lernfrei. Der dritte Tag war der Aufzeichnungstermin.

Dreharbeiten

Selten wurden sogenannte »Pick-ups«, also verbessernde nachträgliche Einschübe hergestellt, sondern immer versucht, den Gesamtablauf zu fixieren, was den Vorteil hatte, einen schauspielerischen Bogen zu erzielen, von allen Akteuren vor und hinter der Kamera allerdings erhöhte Konzentration erforderte.

Zudem bereitete die damalige Schnitt-Technik erhebliche Probleme.

Das Produktionstempo: Eineinhalb Wochen für eine Folge

Die enorme Schnelligkeit der Produktion hatte den Vorzug, eine ursprüngliche Frische in die Serie einzubringen; außerdem war es für den einzelnen Schauspieler fast unmöglich, eine Rolleninterpretation zu entwickeln, sondern lediglich eine Selbstdarstellung durchführbar. Dabei wurden kleinere Fehler - Versprecher etwa - in Kauf genommen, die wiederum beim Zuschauer die Glaubwürdigkeit des Geschehens unterstützten.

In eineinhalb Wochen konnte auf diese Weise eine Folge von 45 - 60 Minuten Länge, beginnend mit der ersten Stellprobe bis zur sendefähigen Aufzeichnung, hergestellt werden. Die Endbearbeitung der abgedrehten Folgen geschah dabei parallel zu den Produktionen der weiteren Folgen, so dass kaum ein Terminüberhang verblieb.

Bei der intensiven Arbeit im Studio und der permanent »familiären « Situation auch über die eigentliche tägliche Produktionszeit hinaus war nach diesen sechs Wochen angespannten Beisammenseins eine längere Regenerationspause für alle Beteiligten dringend erforderlich.

Dreharbeiten

Die Kameraführung

Bei den »Hesselbachs« wurde bewusst Wert auf eine unauffällige Kameraführung gelegt, artifizielle Spielereien traten lediglich bei den von Wolf Schmidt so heißgeliebten Montagen auf, um deren Wert intern während der Produktion immer erbittert gekämpft wurde. Die optische Auflösung war in der Hesselbach- Serie auf sachliche Beobachtung reduziert, was unter anderem sichtbaren Ausdruck in überlangen - und damals keineswegs üblichen - Kameraeinstellungen fand. Handlung geschah vor der Kamera, nicht mit der Kamera. Eine hektische Schnittfolge oder auch eine stark stilistisch geprägte Regiehandschrift hätte den Intentionen der Alltagswelt entgegengewirkt, den Zuschauer eher verwirrt und die glaubhafte Wirkung geschmälert.

Auch die Anwendung von Optikwechseln wurde behutsam gehandhabt, der Zuschauer stets kontinuierlich von der Totalen über eine Halbtotale und Naheinstellung zur Großaufnahme geführt. Selten wurde dieses Prinzip als dramaturgischer Überraschungseffekt durchbrochen. Die später eingeführte »Gummilinse«, der Zoom, existierte zu Beginn der Hesselbachproduktionen noch nicht und konnte daher nicht zu den - oftmals sinnlosen - Distanzüberbrückungen führen.

Wichtig war auch die optische Orientierungshilfe einer langen Totalen zur Eingewöhnung an einen Raum, bevor die Kamera zu wandern begann. Ruhe in der Bildabfolge, keine unnötigen Mätzchen aus Gründen des Selbstzwecks im Bildinhalt gaben dem Zuschauer die Möglichkeit des Zurechtfindens.

Dreharbeiten

Die Schlusspointe unter dem Abspann

Ein wesentliches Merkmal der Hesselbach-Produktion war die Einführung einer Schlusspointe nach den Abspanntiteln, die jeweils über eine fortführende Handlungs-Pantomime liefen.

Durch diesen einfachen Trick wurden die Zuschauer bis zum letzten Bild an den Fernsehapparat gefesselt. Mein damaliger Vorschlag fiel bei Wolf Schmidt sofort auf fruchtbaren Boden.

Diese Form, Neugierde bis zum letzten Bild zu erzeugen und gleichzeitig damit trailerhaft die nächste Folge anzureißen, war, heute fast standardisiert, seinerzeit überraschend neu.



Auszug aus Harald Schäfer: "Die Hesselbachs. Erinnerungen an eine erfolgreiche Familien-Serie aus den Anfangszeiten des Fernsehens", R. G. Fischer, 1996.
Mit freundlicher Genehmigung: Erben Harald Schäfer.



Zum Seitenanfang