Biografie

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Prof. Dr. Karl Schmidt (Wolf Schmidts Vater)

Kleinkind Schmidt mit Mutter
Mutter Milly mit Wolf Schmidt 1916
Theaterzettel 1921 - Neujahrsspiel

Kindheit und Jugend

Am 19. Februar 1913 wurde Johann Sebastian Ferdinand Wolfgang Schmidt in der hessischen Kleinstadt Friedberg, als Sohn von Prof. Dr. Karl Schmidt und seiner Frau Emilie geboren.

Nach dem Tode seiner ersten Frau Emmy hatte Karl 1911 Emilie ("Milly") Sprengel, die aus einer Bad Nauheimer Hoteliersfamilie stammte, geheiratet. Wolfs Eltern könnte man als typisches bürgerliches Ehepaar der sich zur Ende neigenden Gründerzeit beschreiben.

Altersunterschiede waren kein Hindernis, und die Rollenverteilung klar: Der Vater streng, die Mutter 20 Jahre jünger und ihrem Gatten sehr ergeben. Sie war einst Karls Klavierschülerin und dieses Verhältnis von Lehrer und Schülerin sollte zeitlebens spürbar bleiben.

Wolf wuchs bis zu seinem 13. Lebensjahr als Einzelkind in diesem Spannungsfeld auf, und die Konflikte darin sollten in seinen Werken in verschiedenen Variationen immer wieder aufgegriffen werden.

Dramaturgische Ambitionen wurden schon im Vorschulalter deutlich, als das kleine "Wölfche" seiner Mutter erste Theaterstücke in die Feder diktierte, die dann im Familien- und Freundeskreis aufgeführt wurden.

Schon bei den frühen Theaterstücken schrieb er sich immer die Hauptrolle zu, genauso sollte er später bei den Hesselbachs die Multifunktion Autor-Darsteller-Regisseur ausüben.

Wie bei vielen seiner Zeitgenossen war Wolfs Kindheit und Jugend ein Wechselbad zwischen der vorbehaltlosen Liebe seiner Mutter und einer kritischen Erwartungshaltung seines Vaters.

Prägend für Wolf war das Verhältnis zu seinem philanthropischen Großvater Friedrich Schmidt, großherzoglicher Musikdirektor und Seminarlehrer im Ruhestand, der im ersten Stock des Elternhauses mit seiner Frau Karoline lebte. Dieser nahm den Grundschulunterricht seines Enkels in eigene Hände.

Zusammen mit einer Cousine und einem Nachbarsbub, Wolfs langjährigem Freund Karl Krombach, der später für die Lufthansa über Jahre in Karthoum stationiert war, bildeten sie am Taubenrain eine kleine Klasse.

Diese elitäre Abgrenzung gegenüber anderen Kindern sollte bei seiner späteren Einstellung zu anderen Menschen eine Rolle spielen, denn obwohl Wolf hervorragend über sie schreiben konnte, wurde das Bad in der Menge nie zu einem persönlichen Grundbedürfnis – eigentlich war er kein geselliger Mensch.

Ein häufiger Gast im Hause Schmidt war Paul Hindemith, der mit dem alten Schmidt Hausmusik machte (siehe auch Ein musikalisches Elternhaus).

Es gab zahlreiche Versuche, Wolf als Spross einer gern und gewiss auch gut musizierenden Familie mit einem Instrument vertraut zu machen. Zum Musiker fühlte er sich aber nicht berufen. Es blieb eine Querflöte, auf der er auch noch in späteren Jahren in der Abgeschiedenheit seines Studios spielte. Von seinem Klavierunterricht blieben die perfekt intonierten ersten Takte des 2. Klavierkonzerts von Rachmaninow, mit denen er unvorbereitete kleine Runden in Erstaunen versetzte, wenn ein Flügel Gelegenheit dazu bot.

Vater Karl, Sohn Wolf und Großvater Friedrich Schmidt, 1926

Wolf mit 17

Ein Schritt aus seiner überbehüteten Kindheit bildete der Eintritt Wolfs in die höhere Schule, der großherzoglichen Augustinerschule in Friedberg, an welcher Prof. Karl Schmidt zum gefürchteten Lehrkörper gehörte und durch seine kleine Statur und flinken Bewegungen den Beinamen „Floh“ erworben hatte.

In der Oberstufe waren Wolfs Zeugnisse gut, aber nicht überragend, in Musik (Singen), Erdkunde und Staatsbürgerkunde (ein Fach, das erst in den 20er Jahren eingeführt wurde und handschriftlich auf den Zeugnisformularen ergänzt wurde) hatte er die Note 1, in Deutsch und den Sprachen Latein, Griechisch, Französisch und Englisch fast immer eine 2, hier lagen seine Interessen und Begabungen, während Mathematik, Chemie und Physik nicht unbedingt seine Sache waren (Noten 3, auch mal 4).
Hochschulreife 1931

Familie Schmidt 1931

Der Journalist

Nach der Schulzeit begann er auf Drängen seines Vaters, an der Pariser Sorbonne mit einem Jurastudium, das er kurz darauf in Freiburg im Breisgau fortsetzte. In satirischen Plots über Widersprüche zwischen Gesetz und Wirklichkeit hat er später seine Studienerfahrungen immer wieder verarbeitet. Paris wurde auch zur ersten Station in Schmidts journalistischem Berufsleben. Für diverse Zeitungen schrieb er schon nach kurzer Zeit Auslandsreportagen.

Wolf Schmidt 1932
Wolf Schmidt 1932

Wolf Schmidt 1932
Zum Studieren dürfte wohl keine Zeit mehr gewesen sein, denn er belieferte bereits mehrere deutscher Provinzzeitungen, z. B. die Dortmunder Zeitung und das Wiesbadener Tagblatt mit Berichten aus Paris, zeitweise auch aus Rom.

Anfang 1933, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, änderte sich die deutsche Devisenpolitik. Damit fand auch Wolfs Auslandsarbeit ein jähes Ende. Er kehrte aus Paris zurück.

In dieser Zeit wurde er, offenbar mit Unterstützung ihres damaligen Chefredakteurs Hans Elze, zum „außenpolitischen Schriftleiter“ der erzkonservativen Kreuz-Zeitung ernannt.

Im November 1933 übernahm er schließlich die Verlagsleitung und Chefredaktion des Berliner Morgenblatts Neue Zeit in Charlottenburg. Dabei behilflich war ein Darlehen seines Vaters in Höhe von 5000 Goldmark und der Umstand, dass sich die Neue Zeit, gegründet 1871, am Rande der Pleite befand. Es gelang ihm nicht, den wirtschaftlichen Niedergang des Blattes zu verhindern. Einige Monate später, im August 1934, beschloss er, von der Verlagsleitung wieder zurückzutreten.

Anfang November 1935 wurde die Neue Zeit vom Elze-Verlag übernommen und in Charlottenburger Zeitung umbenannt. Schmidt konnte sich nunmehr auf journalistisches Arbeiten, insbesondere das Feuilleton konzentrieren.

Was ihm blieb, waren die Schulden bei seinem Vater, die er noch lange Jahre später auf Heller und Pfennig zurückzuzahlen hatte, Erfahrungen in der Verlagsbranche (die ihm später noch nützlich sein sollten) und - die sehr attraktive Sekretärin, Frau Schmidt, geb. Kliche.

Wolf Schmidt


In die hatte er sich bereits 1934 verliebt. Als Wolfs Eltern von der geplanten Heirat erfuhren, setzte sich der "Floh" in Bewegung, seinen 20-jährigen Sohn umzustimmen. In Berlin angekommen, änderte er allerdings sofort seine Meinung und fand seine zukünftige Schwiegertochter großartig. So heiratete Wolf 1934 mit 21 Jahren.

Wolf Schmidt 1938

Wolf Schmidt und Tochter Anja

Wolf Schmidt 1942
In den späten 1930er Jahren arbeitete Wolf ausschließlich für das Feuilleton und an seinen „Stücken für den Papierkorb“, zu meist des Nachts an einem selbstgebauten Stehpult: mehrere übereinandergestapelte Tische mit einer schrägen Schreibplatte obenauf. Daran schreibend konnte er nicht einschlafen.

Im Krieg

1939 meldete Wolf sich freiwillig zur Wehrmacht, nicht zuletzt, um dadurch seine Verwendung mitbestimmen zu können, d.h. um dem Einsatz in einer Kampftruppe herumzukommen. Nach kurzer Grundausbildung wurde er als "Schmalspuroffizier" Kriegsberichterstatter. Zunächst in Frankreich, nicht zufällig in Paris, wo er sicherlich alte Kontakte nutzen konnte.

1940 wurde Wolfs erste Tochter Anja geboren.

1941, im Verlauf des zweiten Weltkriegs, als das Blatt sich zu wenden begann, musste Wolf Paris verlassen. Zunächst nach Berlin, dann an die Ostfront. Aus dem Tagebuch seiner Mutter ist zu entnehmen: "26.10.41 Post von Wolf sehr ernst, er hat allerhand Schweres mitgemacht." Er wechselte mehrmals seinen Einsatzort, und am 21. November 1942 trug Milly erleichtert in ihr Tagebuch ein: "Wolf schreibt sehr zufrieden, hat interessante Tätigkeit, nicht weit von Leningrad". Wieder hatte er Glück, dort in die Truppenbetreuung versetzt zu werden, wo er mit humoristischen Conférencen auftrat und Theatervorstellungen organisierte.

1942 hatte er auch ein Stück in Wien am „Theater in der Josefsstadt“ – vormals Kammerspiele - eingereicht. Es wurde angenommen. Eine Ehre in einem so renommierten Theater, das sich besonders dem Boulevard widmete, die Wolf sehr zu schätzen wußte. Da er aus Russland keinen Heimaturlaub bekam, reiste seine Frau Irm an seiner statt nach Wien, die Verhandlungen zogen sich hin. Da die Bombenangriffe begonnen hatten, kam das Stück nicht mehr zur Aufführung.

Um 1943 begann er mit einer Abhandlung über den Bau des Dramas.

1944 teilte er seiner Frau Irm mit, dass er die Scheidung wolle.

1945 setzte er sich zunächst geschlossen mit seiner Truppe nach Österreich ab, und trat dann zu Fuß den Heimweg nach Friedberg an. Seine Heimatstadt erreichte er nach einigen Wochen erschöpft und abgerissen, aber unversehrt und ohne einen Tag in Gefangenschaft verbracht zu haben, nicht zuletzt dank seiner Sprachkenntnisse, die es ihm ermöglichten, sich bei Bedarf als französischer Kriegsheimkehrer auszugeben.


Die Stunde Null

1945, nach der Kapitulation Nazideutschlands, war man froh, überlebt zu haben und damit beschäftigt, seine Ernährung zu sichern. Es war die Zeit der Lebensmittelmarken und des Schwarzmarkts. Frankfurt war zerbombt, aber Wolfs Elternhaus in Friedberg hatte keinen Schaden genommen. Mit großem Missfallen musste der alte Schmidt hinnehmen, dass jetzt Ausgebombte und Flüchtlinge in sein Haus zwangseinquartiert wurden.

Wolfs Englischkenntnisse erwiesen sich als unschätzbar für diese Zeit, in denen ein guter Draht zur amerikanischen Besatzungsmacht mehr wert war, als alles andere, wenn man etwas erreichen wollte.

Und das wollte Wolf: Die Menschen waren dankbar für jede Form von Heiterkeit und Unterhaltung und genau darin sah er seine Chance. Er ergatterte eine Theater- und Bühnenlizenz und bildete ein Tourneetheater (Die heitere Bühne) und ein Kabarett (Die Zeitgenossen), kurz: Wolf Schmidt wurde Entertainer.

1946, Die Zeitgenossen (Kabarett) Wolf Schmidt mit Gretl Pilz

Unter den Darstellern, die er engagiert hatte, war die gerade aus dem Sudetenland evakuierte Schauspielerin Gretl Pilz. Sie wurde zur Bühnenpartnerin und schnell auch zur Lebenspartnerin (siehe Die zweite Ehe).

Gretls Familie war in einem abgelegenen Dorf einquartiert worden. Wolf nutzte seine Kontakte und schaffte es, die im Haus am Taubenrain untergebrachten Zwangseinquartierten gegen die Pilz-Familie auswechseln zu lassen. Für den alten Schmidt immer noch ein Dorn im Auge, aber angesichts der attraktiven neuen Schwiegertochter einer, an dem er Gefallen fand.

Wolf beschäftigte sich intensiv mit dem Entertainment. Er hielt sogar Vorträge, z. B. über "Die Philosophie des Lachens". Die Zeitgenossen tingelten kreuz und quer durch das Land und Wolf nutzte jede Gelegenheit, seine selbst geschriebenen Sketche aufzuführen.

Zwei Jahre nach dem Start der ersten Shows hatte die Zeitgenossen bereits über 300 Auftritte in der britischen und amerikanischen Zone absolviert.
Wolf Schmidt

Wolf Schmidt und Gretl Pilz 1948

Sketch »Herr Schmidt gibt Auskunft« mit Gretl Pilz
Doch was wichtiger war: Die Unterhaltungsverantwortlichen der Radiosender wurden aufmerksam. Einzelne Nummern, meist kurze Szenen und Kabarettlieder, wurden von den Sendern Frankfurt, Stuttgart, München und Bremen übernommen. Und damit begann ein neues Kapitel.

Das Radio ruft

Die zusammen mit Gretl Pilz gespielten Zeitgenossen-Sketche fanden schnell ein Radiopublikum. Einige Szenen über den ehelichen Kleinkrieg waren so erfolgreich, dass 1947 im Frankfurter Radio eine ganze Reihe davon ausgestrahlt wurde. In der Monologreihe nannte er sich noch "Herr Schmidt". Diese Monologe erschienen dann auch als Buch unter dem Titel "Immer diese Ella".

"Auch "1000 Worte Hessisch", (der Titel ist eine Parodie auf die damals verbreiteten Schnellsprachkurse), mit launigen Sketchen in Mundart, wurde gern gehört. Als Wolf eine Weiterentwicklung vorschlug, die sich mit dem Ehe- und Familienalltag einer Durchschnittsfamilie beschäftigen sollte, zögerte Radio Frankfurt, aber den Schwaben in Stuttgart, die auch schon für die "Tausend Worte Hessisch" im Radio den Anfang gemacht hatten, gefiel diese Idee.

1948 enstanden die Vorläufer der Hesselbachs: Die Familie Staudenmaier. Die von Radio Stuttgart produzierte Serie wurde aus dem Stand zum Straßenfeger.

Wolf Schmidt

Mehr über die Staudenmaiers

Dies war die Zeit der Währungsreform. Die Radiosender wurden "öffentlich-rechtliche "Anstalten". Jetzt bestellte auch Frankfurt die Serie. Die Familie wurde "Hesselbach" getauft (siehe "Wie die Hesselbachs zu ihren Namen kamen).

Im Abstand eines Jahres zu den Staudenmaiers produzierte der Hessische Rundfunk insgesamt 47 Folgen im monatlichen Turnus, jeweils unterbrochen von Sommerpausen.

Wolf Schmidt

Anm.: Die komplette Liste der Hesselbach Radio-Episoden finden Sie hier:
Hesselbachs - Radio

Unterdessen lief auch eine andere Radio-Serie von Wolf Schmidt beim Hessischen Rundfunk: "Alte Geschichten - neu berichtet", in der Klassische Werke in populärer Erzählweise wiedergegeben wurden.

Beim Stuttgarter Radio wurden die "Abenteuer des Herrn Pfleiderer" ein Erfolg, der dann (ohne Schmidts Mitwirkung) in Form der "Häberle & Pfleiderer"-Sketche ausgebaut wurde.

Im Mai 1953 wurde in einer eigens einberufenen Pressekonferenz das Ende der Hesselbachs verkündet.

Für Wolf war das der Anfang einer neuen Epoche. Und die hieß: Film und Fernsehen!
Bereits Anfang 1953 war er, zusammen mit einer Reihe anderer Prominenter, darunter Rudolf Platte, in einem skurrilen Kinofilm aufgetreten. "Frauen, Filme, Fernsehfunk" war eine Art überlanger Werbefilm, produziert vom Waschmittelhersteller Henkel. Der Untertitel lässt erahnen, wohin die Reise ging: "Eine Revue in Weiss". Wolf Schmidt dürfte an dieser Mitwirkung interessiert gewesen sein, weil sie ihm die Möglichkeit bot, Dreharbeiten zu einem Film aus nächster Nähe mitverfolgen zu können.

Im Juni 1953 trat er eine sechswöchige Reise in die Vereinigten Staaten an, dem Land, in dem das Fernsehen bereits weitverbreitet war.

Was lernen wir von Hollywood?

Wolf wollte sich vor Ort über die Möglichkeiten von Film und Fernsehen kundig machen. Seine Stationen waren New York, Chicago, New Orleans, Hollywood und Washington. Er traf eine Reihe von Produzenten und Regisseuren und verschaffte sich sowohl in technischer als auch dramaturgischer Hinsicht gute Kenntnisse über die verschiedenen Produktionsmethoden.

Wolf Schmidt in Hollywood

Was er aus Hollywood mitbrachte, war die Erkenntnis, dass eine Übernahme der dortigen Produktionsmethoden in Deutschland zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen war - sowohl kostenmäßig als auch in rechtlich-struktureller Hinsicht. Denn im Gegensatz zu dem gerade geschaffenen öffentlich-rechtlichem System mit einem de facto Monopolstatus in Westdeutschland waren die "Public Service" Medien in den USA einer übermächtigen kommerziellen Konkurrenz ausgesetzt, die vor allem in Hollywood enorme Summen in die Filmproduktion steckte - und auch wieder herausholte.

Dennoch waren viele Techniken, die sich Wolf Schmidt unter die Lupe genommen hatte, dazu geeignet, die Produktionskosten wesentlich zu reduzieren. Mit diesen Tricks wollte er nun auf eigene Faust experimentieren. Was ihm vorschwebte, war eine Produktionsweise, die heute "Low Budget" genannt wird. Das formulierte er in einem Interview nach der USA-Reise so: „Es wird sich vielleicht schon bald die Möglichkeit ergeben, Fernseh-Filme in Deutschland für eine Reihe von Ländern zu drehen, denn in Deutschland sind bekanntlich die Herstellungskosten weit geringer als in New York oder in Hollywood, was die Filme sehr verbilligen wird.“

Jetzt wird Film gemacht

Für Fernsehfilme war die Zeit aber noch nicht reif. Fest entschlossen, die Machbarkeit einer Filmproduktion bei extrem geringen Kosten zu beweisen, stellte Wolf ein Produktionsteam zusammen, wobei er an entscheidenen Positionen diejenigen einsetzte, die sich bereits bei seiner Radioarbeit bewährt hatten. Dazu gehörten Sofie Engelke und Joost Siedhoff, und vor allem Lia Wöhr, die nicht nur als Radio-Mamma hervorragend war, sondern über eine einzigartige organisatorische Begabung verfügte. Sie wurde mit der Produktionsleitung betraut. Wolf Schmidt selbst übernahm nicht nur die Hauptrolle, und Regie sondern auch die Finanzierung.

Wolf Schmidt hinter der Kamera


Die Produktionstechnik war innovativ, billig, kurios und für die Darsteller recht anstrengend, denn der Ton wurde vorab aufgenommen, und dann bei den Filmaufnahmen als Playback vorgespielt, wobei die Darsteller ihre Texte so zu sprechen hatten, dass sie mit dem bereits bestehenden Ton synchron blieben (siehe hierzu: Die Filme - Playback).

1954 entstand so der Kinofilm "Die Familie Hesselbach", im Friedberger Haus am Taubenrain gedreht. Es war eine Low-Budget-Produktion mit beträchtlichem kommerziellen Erfolg.

Diesen Erfolg durfte Wolf Schmidt, der das Kostenrisiko selbst getragen hatte, nun auch selbst auskosten. Gleichzeitig hatte er damit eine Richtung eingeschlagen, die damals von den großen Filmgesellschaften belächelt wurde, heute aber eine anerkannte und respektierte Form des kreativen Filmschaffens darstellt: Der Independent-Film.

In dieser Zeit schrieb er einem Freund: Ich bin unbeliebt und insgeheim beneidet in der Filmbranche, denn aus dem Tick, immer mein eigener Herr sein zu wollen, habe ich eine Methode entwickelt, für 150.000 Mark einen Spielfilm zu drehen, der bei anderen Produzenten eine Million kostet.
Wolf Schmidt hatte sich bereits Anfang der 1950er Jahre mit seiner Frau Gretl in Hagnau am Bodensee ein Haus gekauft, und seine Schwiegereltern samt Gretls Schwester Trudl gleich dorthin mitgenommen. Die Familie wuchs, als Trudl sich mit Horst, einem Ingenieur, verheiratete. Als der Nachbar in Hagnau sein Haus zum Verkauf anbot, zögerte Wolf keine Sekunde und machte aus zwei Grundstücken ein großes.

1955 wuchs die Familie weiter an: Tochter Susanne wurde geboren.

Kurz darauf entstand der zweite Kinofilm: "Die Familie Hesselbach im Urlaub", der natürlich in Hagnau am Bodensee gedreht wurde. Schwiegervater Georg Pilz, ein Vollblutschauspieler und ehemaliger Theaterdirektor, staunte über die Technik der Dreharbeiten, hatte jedoch für die schauspielerischen Qualitäten in einzelnen Szenen nur ein Kopfschütteln übrig. Der Urlaubsfilm wurde nichtsdestotrotz ein Kassenschlager.

Dreharbeiten


1956 produzierte er dann den nächsten Kinofilm mit dem Titel "Das Horoskop der Familie Hesselbach", im gleichen Jahr gefolgt von "Herr Hesselbach und die Firma". Auch diese Filme waren kommerziell kein Flop, aber schwächer als der überaus erfolgreiche Urlaubsfilm.

1957 wagte sich Wolf Schmidt an ein Projekt, das ihm schon seit seiner USA-Reise vorschwebte. Eine deutsche Kinoproduktion, die ihn auch auf dem englischsprachigen Markt etablieren sollte. Dabei vermischte er Hesselbach, Liebesgeschichte, Agenten-
und Science-Fiction-Film. "Der ideale Untermieter" und seine englische Version "The ideal Lodger" bzw. "Too young for Men" floppte so gründlich, dass er sich aus dem Filmgeschäft zurückzog.

Dieser Rückzug war jedoch wiederum der Beginn einer neuen Epoche, denn die Hesselbachs waren mittlerweise reif fürs Fernsehen - oder umgekehrt, je nach Perspektive.

Mehr zu den Filmproduktionen: Die Filme


Die Hesselbachs kommen ins Fernsehen

1958 wurde der Sohn Stefan geboren. Im Hagnauer Haushalt war ein lebhaftes Kommen und Gehen. Viele Verwandte verbrachten ihre Ferien dort, Kollegen und Freunde kamen zu Besuch. Der Garten war wunderschön, und Wolf liebte den Blick über den Bodensee, den er vom Balkon seines "Studios" im "Holzhäuschen" genießen konnte.

Das Fernsehen hatte mittlerweile Einzug in alle Haushalte genommen. Und Wolf Schmidt gedachte, das neue Medium zu nutzen. Allerdings nicht als "Babba", denn er wollte nicht auf diese Figur festgelegt - und damit reduziert - werden.

Im gleichen Jahr, 1958, konzipierte er eine Improvisations-Show mit dem Titel "Umgang mit Menschen" für den SDR, die Reihe hatte aber keinen großen Erfolg und wurde bald wieder abgesetzt. Und Wolf Schmidt bereit zu neuen Taten.

Inzwischen war eine andere Fernsehfamilie sehr bekannt geworden: Die Schölermanns. Deren Erfolg (und deren Ende) leitete im Deutschen Fernsehen die Ära der Hesselbachs ein, nachdem Wolf Schmidt auf ein entsprechendes Angebot der Hessischen Rundfunks einging.

Überzeugt, dass er als Erfinder der Hesselbachs auch der richtige Mann für die Regie sein musste, bestand er allerdings darauf, wie bei seinen Spielfilmen, die Regie übernehmen zu können. Das war für den Hessischen Rundfunk allerdings eine kleine Herausforderung, denn bei aller bisherigen Radio- und Filmerfahrung waren Wolf Schmidts Kenntnisse der Fernsehstudiotechnik eher theoretischer Natur.

Eine recht pragmatische Lösung dieses Dilemmas war das Engagement eines Co-Regisseurs. Mit Harald Schäfer wurde dafür ein junger Mann gewonnen, der die Aufgabe bekam, Wolfs Regieanweisungen technisch zu realisieren, was er von der ersten bis zur letzten Folge mit unerschütterlicher Geduld und großem Sachverstand erledigte.

Dreharbeiten Fernsehen, 1. Klappe, 1960


Die Fernsehproduktionen knüpften an den Kinofilm "Herr Hesselbach und die Firma" an, um sich vom "Familien"-Flair der gerade abgelaufenen Schölermanns abzugrenzen. So entstand "Die Firma Hesselbach". Die Dreharbeiten begannen im Oktober 1959, die Premiere war am 22. Januar 1960.
Anm.: Die komplette Liste der Hesselbach TV-Episoden finden Sie hier:
Hesselbachs - Fernsehen

Schmidt-familie mit Tochter Susanne und Sohn Stefan


Herr Schmidt wird seinen Babba nicht mehr los

1961, kurz nach Ausstrahlung der 19. Hesselbachfolge ("Die Modernisierung"), kam der zweite Sohn, Michael, zur Welt.

1962, parallel zu den Hesselbachproduktionen, unternahm Wolf Schmidt zusammen mit Hans-Joachim Kulenkampff und Dieter Hildebrandt den Versuch, in einer Kabarettreihe mit dem Titel "Die Sonntagsrichter" eine andere Form der Fernsehunterhaltung einzuführen. Das Gericht fällte Urteile über skurrile Fälle jenseits der juristischen Realität. Die Regie führte Starregisseur Ekkehard Böhmer, doch die Sendungen kamen nicht gut an.

Hans Joachim Kulenkampff mit Frau und Boot zu Besuch in Hagnau am Bodensee


1963, nach über vierzig am laufenden Band produzierten Hesselbach-Fernsehfolgen, traten Ermüdungserscheinungen ein. Nicht zuletzt bei Wolf Schmidt selbst, der gerne aus der sich immer mehr manifestierenden Babba-Hesselbach-Rolle herausgeschlüpft wäre. Nach der im Mai 1963 ausgestrahlten 42. Folge war Schluss. Die Zuschauer protestierten heftig.

Also entschloss man sich, das Hesselbach-Gebbabel wenigstens im Radio weiterleben zu lassen, was in Form des "Stammtischs" geschah, einer Art Frühschoppenrunde. Mit von der Partie waren einige der von Schmidt besonders geschätzten und aus der Fernsehserie bekannten Schauspieler, die eine illustre Dialektmischung aufbrachten: Edith Hancke (berlinerisch), Sophie Cossäus (hessisch), Max Strecker (schwäbisch), Fritz Strassner (bayrisch) und Uwe Dallmeier (hanseatisch).

Hesselbach Stammtisch, 1963

In lockerer Mundart wurden aktuelle politische und gesellschaftliche Fragen erörtert, und das mit einigem Erfolg: Es kamen bis 1967 nicht weniger als 42 Folgen zustande und die Sendungen wurden auch im NDR, SDR und SFB ausgestrahlt.

Hagnau am Bodensee, 1963. Wolf Schmidt mit Frau Gretl, Kindern und Schwiegersohn


1964 besuchte Wolf Schmidt auf Einladung eines Verlags als Teilnehmer einer 18-köpfigen Reisegruppe die Sowjetunion. Mit dabei waren u.a. Prof. Eugen Kogon, Ernst Kube, und Gustav W. Heinemann. Jeder berichtete anschließend über seine Impressionen, Wolfs Eindrücke waren geprägt von "Hoffnung und Besorgnis". Seine Hoffnung galt dem sowjetischen Friedenswillen, seine Besorgnis der Gefahr, dass die Sowjetunion auf dem Wege war, dem Westen den wirtschaftlichen Rang abzulaufen, so dass "wir übermorgen die Partie kampflos an die Russen verlieren".

In dieser Zeit versuchte Wolf immer wieder, sich auf anderen Gebieten zu etablieren. Er intressierte sich für den "Lichttest", bei dem die Zuschauer durch Lichteinschalten und -ausschalten über den weiteren Ablauf einer Sendung abstimmen konnten, und begann, Konzepte hierfür zu entwerfen.

Seine Bekanntschaft mit Eugen Kogon resultierte in einer 10-teiligen Radioserie, bei der über den "Umgang mit Menschen" gesprochen und philosophiert wurde.
Letzte Klappe der Hesselbachs im Studio des Hessischen Rundfunks


Doch wirklich gefragt war er eben nur als "Babba". Ende 1966 kamen die Hesselbachs wieder auf den Bildschirm zurück. Man knüpfte an das "Stammtisch"-Konzept an und ließ verschiedene Charaktere auftreten, die durch ihre regionalen Dialekte aus allen Teilen Deutschlands für Kolorit sorgen sollten. Die Staffel lief unter dem Obertitel "Herr Hesselbach und...", geplant waren zwölf Folgen.

Dazu kam es aber nicht, denn das Jahr 1967 sollte alles verändern.

Krankheit

Seit geraumer Zeit hatte sich bei Wolf eine Zerstreutheit bemerkbar gemacht, die dann zu einer ausgesprochenen Vergesslichkeit ausartete. Er hatte Schwierigkeiten, seine Manuskripte in gewohnter Qualität abzuliefern. Er traf eigenartige Beschlüsse. Mitte der 1960er Jahre kaufte er - für alle überraschend - ein Haus in Saulgau. Die Verwunderung, die ihm seine Umgebung darüber entgegenbrachte, ließ ihn unbeeindruckt.
Das Haus in Saulgau


Im Frühsommer 1967 wurde bei Stefan Leukämie diagnostiziert.

Die Verfallserscheinungen, die Wolf in dieser Zeit an den Tag legte, waren zwar deutlich, wurden jedoch mit der Erschütterung über die Krankheit seines Sohnes verknüpft.

Hinzu kam, dass Stefans Mutter Gretl, Wolfs langjährige Muse und Partnerin für die Entwicklung heiterer Ideen, ebenso erschüttert war und aus ebendiesem Grund als Inspirationsquelle nicht mehr zur Verfügung stehen konnte.

Dies hatte, alles zusammengenommen, natürlich auch Auswirkungen auf die Hesselbachmanuskripte. Sie waren nicht mehr gut. Von den geplanten zwölf Folgen wurden so nur neun gesendet, dann entschloss sich der Hessische Rundfunk, die Reihe im Sommer 1967 vorzeitig abzusetzen.

Es folgte eine Zeit im Kampf gegen die Krankeit - seine eigene und die seines Sohnes, chancenlos in beiden Fällen.

Stefan starb 1969 nach langen, so schmerzvollen wie unwirksamen Behandlungen.

Ein langes Ende - kurz gefasst

Um 1970 wurde klar, dass die bisher angenommene "Verkalkung" in Wahrheit eine fortgeschrittene Alzheimererkrankung war.

1974 wurde er in eine Klinik für Demenzerkrankungen eingewiesen.

Wolf Schmidt starb am 17. Januar 1977 in Gelsenkirchen.

 


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